Von S.u.S.E. 4.2 zu OpenSuSE Leap 15.5

oder, der unglaubliche Werdegang einer Spitzensoftware

Was waren das für Zeiten, als man alle paar Wochen die Betriebssystemsoftware neu installieren musste, weil diese "Bananenversion" von Windows95© mal wieder wegen einer Programminstallation oder -deinstallation nicht mehr richtig lief?
Ich hatte nach ein paar Monaten genug davon und habe mich nach Ersatz umgesehen. Zuerst bekam das neue OS2/Warp© von IBM eine Chance, wurde später aber verworfen, weil es einfach zu wenig Software für dieses schöne und relativ stabile BTS gab.

Details bzw. erklärender Versuch zur Namensgebung von OS2/Warp© hier klicken

Zufall oder Absicht?
Das BTS OS2© bekam den Anhang "Warp" möglicher Weise deswegen, weil sich die SPU des damaligen Top-Hersteller Creativ Labs, der Soundblaster, beim Hochfahren mit "WARP, WARP, WARP" meldete. Die Karte wurde vom BTS beim Installieren auf dem falschen Interrupt angemeldet. Der Startsound wurde damit abgewürgt und produzierte so dieses sich wiederholende Geräusch.

Es musste doch irgendwas auf dem Markt geben, was stabil lief und nicht alle Nase lang nach einer Neuinstallation schrie?
Als ich durch Zufall auf eine Werbung für das freie Linux stieß, kam mir das wie eine Offenbarung vor. Es kam auf diversen CD daher und war eigentlich mit allem ausgestattet, was man unter Windows zusätzlich erwerben - oder sich in betrügerischer Weise auf den Rechner holen - musste. Und da es sogar eine deutsche Firma gab, die sich aus der Masse der Distributoren abhob, wollte ich damit mein Glück probieren und hab zur S.u.S.E. 4.2 gegriffen.

Was für ein Glücksgriff. Für den User brachen endlich wieder angenehme und und vor allem konstruktive Zeiten an.
Wer nicht mit seinem Rechner spielen wollte, war hier wirklich gut aufgehoben. Stabilität, Sicherheit und Funktionsumfang der S.u.S.E.-Distribution ließen eigentlich keine Wünsche offen.
Das änderte sich - zu meinem wirklich großen Bedauern - allerdings schon 2003, als S.u.S.E. an Novell© verkauft wurde. Novell© fehlte damals ein eigenes BTS, um Ihre Software endlich von DOS lösen zu können, da stets eine von DOS angelegte Partition benötigt wurde, um Novell-NetWare© installieren zu können. Und wer will schon gern von Microsoft abhängig sein bzw. bleiben.

Mit der ersten Zusammenstellung aus der Novell©-Schmiede, der Version 9.1, fingen die Probleme dann leider wieder an.
Eigentlich hatte ich mich auch nach einem anderen Betriebssystemen umgesehen, weil Windows© zunehmend von Viren befallen wurde. Und was machte der neue Besitzer als erstes? Es band die Windowspartitionen direkt ins System ein.
Für mich damals ein Grund, mich über das Produkt zu beschweren. Geändert hat sich daran allerdings erst wesentlich später etwas. In der Version 12.1 wurde die NTFS-Partionen immer noch direkt eingebunden. Damals, bzw. mit der Version Leap 42.1, als Nachfolger der 13.2, wurde wenigstens das nach 12 Jahren abgestellt. Seitdem kann man diese Partition im Zugang über das root-Passwort einbinden.

Nun muss man Novell© aber wenigstens zu Gute halten, dass sie mit OpenSuSE immer noch viel für die treue Gemeinde machen. Allerdings konnte man bei der Version 42.1 nicht mehr sagen, sie sei ein guter Ersatz für die Menschen gewesen, die vorhatten von Windows nach Linux zu wechseln. Wer es damals dennoch vorhatte, musste mit diversen Hürden zurechtkommen.

Das im Januar 2016 gezogene Image zur Leap 42.1 wollte gern die Installation bei aktiviertem Internetzugang machen, was sich bei meiner Installation als Fehlgriff erwiesen hatte. Man hatte danach zwar ein aktualisiertes System auf dem Rechner, aber deswegen musste es nicht unbedingt sauber laufen. Bei mir ergab sich das Problem, dass sich die Software nicht mehr updaten bzw. weitere installieren ließ, weil das entsprechende Update-Programm blockierte, obwohl es sich - laut config Datei - nach 15 Sekunden ausschalten und den Port wieder frei geben sollte.

Damit kam es zum dritten Installationsversuch. Diesmal ohne direkten Internetzugriff, was dann auch erfreulich glatt verlief.
Nach der Installation ließ sich die Netzwerkarte anstandslos einbinden. Sofort wurden etwa 140 Dateien erneuert und es war auch möglich weitere Software zu installieren. Schön, wenn man nach 8 Stunden endlich einen Erfolg zu vermelden hat.

Ein weiteres Problem ergab sich damals mit der Installation des LAMP-Paketes. Der Apache-Server wollte nicht anfahren. Schuld hieran trug wohl eine ältere config-Datei zur Nagios-Software, deren Befehlssyntax nicht konform zur installierten Apache-Version 2.4 war. Wer Nagios nicht brauchte, deinstallierte es am besten wieder, denn ein Umschreiben der config-Datei - wie empfohlen - brachte bei mir auch nicht den gewünschten Erfolg. Alternativ konnte man sich Nagios auch vom Hersteller holen und nachinstallieren. Das soll funktioniert haben.

Die wohl größten sichtbaren Veränderungen betrafen die Arbeit mit der KDE-Oberfläche. Der Plasma5 Desktop präsentiert sich seitdem sehr aufgeräumt - außer Papierkorb und Dolphin, dem Explorer unter Linux, wird nichts auf der Arbeitsoberfläche angelegt. Vom Look her erinnert sie stark an WindowsXP©. Das hat Charme und gefällt und ist seit dem auch so geblieben, auch wenn einige Features hinzugekommen sind.
Wenn Sie allerdings unter 42.1 wie gewohnt auf der Arbeitsoberfläche Ihre Links anlegen wollten, um so schnell an ihre geliebten Programme zu kommen, dann stellen Sie evt. fest, dass man zwar das Menü dazu über die Rechte Maustaste bekam, aber keinerlei Datei angelegt werden konnte.
Im Netz war damals zu lesen, dass die nötigen Dateien wohl vorhanden, aber nicht am richtigen Platz waren, da Plasma 5 diese im Verzeichnis /usr/share/templates erwartete, aber die gepackte Version nur dann arbeitet, wenn die dortigen Dateien nach /usr/share/kde4/templates/ kopiert wurden.

Das wohl größte Manko etwas später: Die einst so stabile KDE-Oberfläche, in ihrer Version Plasma 5, verrichtete ihren Dienst nicht sehr verlässlich. Verlässlich waren allenfalls die Fehlermeldungen, mit denen einige KDE-Programmteile stehen blieben, wobei zu den verlässlichsten Aussteigern die KDE-Konsole zählte. Umso verwunderlicher war allerdings ihre finale Vitalität, denn nach Schließen des Fensters, im dem sie gerade lief, startet sie von sich aus einfach nochmal und triebt dabei einen der Prozessorkerne auf 100% Leistung. Im Winter ein ganz nettes Feature. Man konnte sich die kalten Hände wärmen und die Heizung dafür runter drehen. Ich dachte dazu damals, man hätte das Programm dann zumindest umbenennen sollen und hätte hier NVidia-Heater vorschlagen, denn interessanter Weise schien - nach viel Lektüre im Netz - nicht der Code der Konsole selbst Schuld am Verhalten zu tragen, sondern der Grafiktreiber von NVidia. Zumindest wurde das so im Internet kolportiert.
Abhilfe sollte hier der neueste Treiber der Grafikkartenschmiede mit der Versionsnummer 361.28 bringen, der aber bis dato nicht für OpenSuSE freigegeben war. Außerdem wäre der Treiber mit zusätzlichen Parametern zu installieren, um die neuen GLVND-Spezifikationen nutzen zu können, die die Konsole angeblich wieder richtig arbeiten lassen.
Wer damals die 3D-Beschleunigung nicht brauchte, ließ also erst einmal die Finger von dem proprietären Treiber und begnügt sich mit dem von Nouveau. Oder er installierte den Treiber per Hand mit den nötigen Parametern, muss dann aber natürlich nach einem Kernelupdate auch auf die automatische Anpassung des Grafikttreibers verzichten und den Treiber wieder selbst mit dem Kernel verbinden.

Heute ist das zum Glück alles viel besser geworden. Seit der Version 12.1 gibt es eigentlich beim Update auf eine neuere Version keine Probleme mehr. Die zuständige Yast-Software erledigt das ohne Mucken. Man wird z.B. auch direkt darauf hingewiesen, das ein Update - etwa 12.1 auf 13.2 - scheitern wird.
Die höheren Versionsupdates erscheinen alle Nase lang, lassen sich aber problemlos nutzen, wenn man etwas wartet, bevor man sich das neueste Image besorgt. Und die Kinderkrankheiten von KDE Plasma 5 gehören seit längerem auch der Vergangenheit an.

Eines sei jedoch erwähnt. Wer eine NVidia-Grafikkarte im Rechner hat und die beschleunigte 3D Unterstützung nutzen möchte, der ist nicht davor gefeit, dass der Firefox gelegentlich abstürzt, auch wenn man nicht im Internet ist, sondern im Localhost arbeitet. Die Fehlerhinweise vom Firefox wie auch vom Thunderbird betreffen sowohl den proprietären Treiber von NVidia wie auch den von Nouveau. Das ist sehr ärgerlich, aber wenn es nur ein- bis zweimal in 5 Tagen vorkommt, kann man damit auch leben.

Fazit: Die OpenSuSE Leap Distributionen sind seit der Version 12.1 wieder sehr zu empfehlen. Auf dem ca. 4GB großen Image befindet sich alles, was man für die Arbeit benötigt. Sie sind vor allem sehr gut geeignet, um älteren Rechnern wieder Leben einzuhauchen. Alte Systeme sind wieder nutzbar, selbst wenn deren Lüfter und Kühlungen nicht mehr auf dem neusten Stand sind. Windows 10 konnte ich auf meinem 12-Jahre alten Rechner nicht mehr nutzen, weil ein Softwareupdate die Prozessortemperatur auf über 70°C steigen ließ und der Rechner dann die Arbeit einstellte. Unter Linux kann ich mit dem Rechner aber immer noch Povray auf allen 6 Prozessor-Kernen ausführen, ohne dass die Temperatur 68°C überschreitet. Auch das ewige orgeln der Festplatte, wie es bei Windows© zum Arbeiten wohl nötig erscheint, entfällt.
Merke: "Betriebssysteme sind also auch für den Stromverbrauch im Rechner verantwortlich!"

Autor:
Michael Kleinwächter
Burgstr. 126
53177 Bonn-Bad Godesberg